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Workshop mitmachen…

Sinn oder Unsinn?

Jetzt mußte ich 63 Jahre alt werden, um wieder mal bei einem Fotoworkshop mitzumachen. Mal wieder heißt: Meinen ersten Workshop habe ich am 6./7. Juli 1985 (!) unter der Leitung von Walter Spiegel im Murgtal im Nordschwarzwald gemacht. Warum ich das so genau weiß? An diesem Wochenende gewann Boris Becker das erste mal Wimbledon! (Das bleibt einem als Leimener natürlich im Gedächtnis.)

Der Workshop – damals noch Fotokurs genannt – begann Freitags nachmittags mit dem gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmer. Den Heidelberger Fotografen Walter Spiegel kannte ich aus diversen Fotoheften. Der Abräumer bei Fotowettbewerben schlechthin! Immer im „Clinch“ mit einem gewissen Horst Kunert, seinerzeit auch ein sehr erfolgreicher Fotograf.

Bei diesem Schwarzwaldfotokurs wollte ich mir bei Walter Spiegel was abschauen. Wenn 15-20 Fotografen die Gegend unsicher machen, bleibt wenig Zeit für das persönliche Gespräch. Man hat also besser genau zugehört, was der Mann so predigt. Er sprach von „formaler Bildgestaltung“, dem „Goldener Schnitt“, und davon, dass der Hintergrund nahezu genau so wichtig ist, wie das Motiv selbst. Stimmig muss es sein. Genau das, was ein gutes Bild auch heute im digitalen Zeitalter ausmacht.

(Zweifel kommen mir an dieser Aussage, wenn ich heute Fotografien sehe, die für Leica förderungswürdig sind! Aber das ist wohl, wie alles, persönlicher Geschmack. Oder hat das was mit dem Alter zu tun?)

Zwei Dinge, die uns Walter Spiegel damals mitgegeben hat, sind mir besonders im Gedächtnis geblieben: Zum einen, immer eine Trittleiter im Auto dabei zu haben. Zum anderen – und das scheint mir viel wichtiger – immer mindestens eine Flasche Wein im Kofferraum zu haben! Man weiß nie, für was man das Teil (miß)brauchen kann!

Über 30 Jahre später hatte ich vor einigen Wochen einen Workshop bei Fotogena in Darmstadt gebucht und einen zweiten gleich sechs Wochen später in Mannheim – ist ja quasi um die Ecke. Also, nichts wie hin. Fuji als Hauptsponsor? Anders kann ich mir den günstigen Preis von 129 Euro nicht erklären.

Was treibt also Hobbyfotografen dazu, solche Workshops zu besuchen? Ich denke, die Gründe sind vielfältig. Endlich mal sein eigenes Kamerasystem richtig kennenlernen! (Obwohl man zu Hause ein Buch darüber hat.) Oder: Wie setze ich mein Blitzgerät richtig ein? Und: Welche Einstellungen muss ich bei welchem Licht machen? Wie setze ich die verschiedenen Lichtformern einer Studioblitzanlage ein? Was ist bei einem Porträt zu beachten?

Es gibt jede Menge Gründe. Irgend was Passendes ist schon dabei. Aber es wäre fatal zu denken: Ich komme aus dem Workshop raus und bin ein besserer Fotograf als sechs Stunden zuvor! Man nimmt natürlich etwas mit und im besten Fall kann man das Erlernte zu Hause ausprobieren – sofern man die entsprechende technische Ausrüstung hat. Die wenigsten Leute haben z. B. eine eigene Blitzanlage. Und wenn, dann nicht mehr als zwei Blitzköpfe. Im Workshop hatten wir vier oder fünf im Einsatz gehabt! Am Ergebnis kann man den Unterschied sehen! Da habe ich mir die Frage gestellt: Weiterhin unzufrieden sein, oder doch noch mehr Geld ausgeben? Drei Tage darüber schlafen, dann hatte sich das bekannte „HABEN WOLLEN!“-Gefühl wieder gelegt.

Sollte man einen Workshop buchen, mit dem Thema Beauty/Porträt, besteht berechtigte Hoffnung, ein hübsches/interessantes Model fotografieren zu dürfen. In der Regel haben diese auch einiges an Erfahrung. Das macht es einem Hobbyfotografen doch erheblich einfacher. Die zwei Fotografen (Peter Hawk und Dieter Hirth, beide offizielle X Photographer) gingen das Ganze sehr entspannt an. Keine Hektik, auch wenn die Blitzanlage nicht so funktioniert, wie sie hätte funktionieren sollen. Dann wird als Ersatz eben eine Ringleuchte geholt. Ab diesem Moment hat mich die restliche Blitzanlage auch überhaupt nicht mehr interessiert! Wow, was für ein Licht und was für ein Effekt in den Augen! Das Teil hat mich so fasziniert, dass ich mir gleich eines bestellt habe. Die drei Models waren auch gut drauf und machten, ließen uns Fotografen unsere Ideen umzusetzen. Eine Motiv-Idee hatte ich sofort, als ich den tätowierten, jungen Mann und das kahlköpfige Model sah. Das Ergebnis ist das erste Bild, das ihr oben sehen könnt – quasi als Eröffnung. Nicht ganz einverstanden war ich, als der Fotolehrer ein Set mit lediglich einem Dauerlicht aufbaute. Da ging die ISO Zahl gleich mal heftig nach oben und man verschenkt erheblich Bildqualität!

Ich habe natürlich auch fotografiert, hätte das Ganze aber lieber mit Blitzanlage gemacht. Wenn man das Ergebnis sieht, ärgert es mich um so mehr. Wahrscheinlich hätte die Zeit auch nicht mehr gereicht, das Set mit Blitzanlage zu realisieren. Das war für mich das Schlüsselerlebnis. Ich für meinen Teil habe beschlossen, höchstwahrscheinlich keinen Fotoworkshop mehr zu besuchen! Im Zeitalter von YouTube, wo ich alles, aber wirklich alles, mir anschauen kann, wie was gemacht wird, brauche ich kein Geld mehr auszugeben. Es sei denn, man will unter Gleichgesinnten sein. Aber dafür gibt es andere Möglichkeiten.

Wenn man die Bildergebnisse sieht, sprechen die eine andere Sprache. Wo findet man schon eine kahlköpfige junge Frau? (Die zufälligerweise auch beim 2. Workshop war!) Zusammen mit dem tätowierten jungen Mann für mich vor der Kamera eine Traumkombination! Miete ich die zwei über eine Modelagentur, kostet mich das wesentlich mehr Geld als der komplette Workshop! Dazu noch die Kosten einer Visagistin – bei Beauty-Fotografie sowieso absolute Pflicht! Ein ganz dickes Plus für einen Workshop ist in der Regel die Möglichkeit, das ein oder andere Objektiv auszuprobieren. Was natürlich auch für Kameras gilt.

Also, doch wieder einen Workshop besuchen?


Die Aufnahmen entstanden mit einer Fuji X-PRO-2, X-T2; 23mm/1.4, 35mm/1.4, 56mm/1.2 und geliehen 50-140mm/2.8. Bearbeitet in Lightroom und Tonality Pro.